ECOPOP – nur die halbe Wahrheit
Unterwegs im Interregio nach Basel: Überall Plakate gegen die ECOPOP Initiative – für eine solidarische Schweiz. ECOPOP zielt konkret auf die Angst vor Urbanisierung und Zubetonierung der Schweiz – auf den Mythos von eigenen Hüsli im Grünen. Der Tagesanzeiger hat kürzlich die ECOPOP Initiative in Hüslipop Initiative umgetauft. Die ECOPOP Initianten sehen die Ursache für den zunehmenden Verlust von Kultur- und Naturflächen einseitig im Bevölkerungswachstum. Das ist vorderhand nicht ganz falsch. Tatsächlich ist kaum zu bestreiten, dass mehr Menschen auch mehr Wohnraum, mehr Verkehrsflächen usw. benötigen. Was ECOPOP jedoch verschweigt, ist die Tatsache, dass auch die bereits ansässigen Bewohner der Schweiz immer mehr Wohnraum pro Kopf beanspruchen. Ebenso wird verschwiegen, dass es nicht überwiegend in bescheidenen Verhältnissen lebende Flüchtlinge sind, die zusätzlichen Wohnraum beanspruchen, sondern gut verdienende Expats die grosszügige Wohnungen für sich in Anspruch nehmen. Wären die ECOPOP Initianten ehrlich, so müsste sich ihre Forderung nach Beschränkung der Zuwanderung gezielt gegen gut verdienende Expats richten. Durch ihre Forderung nach Förderung der Geburtenkontrolle im Rahmen der Entwicklungshilfe suggerieren sie genau das Gegenteil. Bürgerliche Parteien haben richtig erkannt, dass sich die ECOPOP Initiative eigentlich gegen das Wirtschaftswachstum richtet (ohne dies explizit zu erwähnen) und bekämpfen sie daher vehement. Einzig die SVP ist gespalten: Während die Parteileitung um den Anschein der Wirtschaftsfreundlichkeit ringt, gibt es an ihrer Basis eine starke Strömung hin zu ECOPOP – es erwachen die Geister die sie selbst riefen.
Hinter der berechtigten Sorge um einheimische Natur- und Kulturlandschaften bleiben die wahren Ziele der ECOPOP Initiative unklar.
Der Ruf der Linken nach internationaler Solidarität wirkt vor diesem Hintergrund hilflos und wird, weil den meisten Wählern die Sorge um den eigenen Besitzstand näher liegt, wahrscheinlich wenig bewirken. Die Lösung der bürgerlichen Seite, Wohnraum zu verdichten, in die Höhe zu bauen, überzeugt ebenfalls nur teilweise – löst sie doch die mit dem Wachstum zwangsläufig verbundenen Fluten von Waren- und Personenverkehr, Energie- und Rohstoffverbrauch nicht.
Wir werden über Kurz oder Lang nicht umhin können, die grundlegenden Fragen, nämlich warum eine Volkswirtschaft beständig und zwanghaft wachsen muss und wie ein Gesellschaftssystem funktionieren könnte, das ohne diesen Wachstumszwang auskommt, zu beantworten. Dabei wären es die Antworten auf genau diese Fragen, mit deren Hilfe sich die offensichtlichen Widersprüche der ECOPOP Initiative auflösen liessen.
Es muss endlich erlaubt sein, die Frage nach Alternativen zum unbedingten Wachstums- Paradigma jenseits des längst überkommenen links – rechts Schemas in aller Öffentlichkeit ernsthaft zu diskutieren.