BIGGER – BETTER – FASTER – NOW
GRÖSSER – BESSER – SCHNELLER – SOFORT
Diese Begriffe beschreiben kurz und prägnant die zentralen Paradigmen unserer modernden Leistungsgesellschaften. GRÖSSER ist besser als gross, BESSER ist besser als gut, SCHNELLER ist besser als schnell, SOFORT ist besser als später.
Die Fragen: Wie gross ist gross genug? Wie gut ist gut genug? Wie schnell ist schnell genug? oder Wann ist der richtige Zeitpunkt? sind uns fremd. Die unbegrenzte Vermehrung von Allem gilt als allgemein gültiges und nicht hinterfragtes Ziel allen Handelns. Warum unterwerfen wir uns diesem Zwang von Allem immer mehr zu wollen, als würde es sich dabei um eine Art unabänderliches Naturgesetz handeln?
Charles Darwin formulierte in seiner Theorie von der Entstehung der Arten das Prinzip vom Survival of the Fittest oder trivial ausgedrückt: Fressen und gefressen werden. Der Stärkere verleibt sich den Schwächeren ein und wächst dabei – die Schwachen gehen unter. Darwin war sich bewusst, dass auch die Stärksten schlussendlich aussterben, wenn sie alle Schwachen aufgefressen haben, dass es ein Gleichgewicht zwischen den Starken und den Schwachen geben muss. Heute würden wir das ein ökologisches Gleichgewicht nennen. Adam Smith wandte ein ähnliches Prinzip auf menschliche Gesellschaften an und postulierte, dass der ungehinderte Wettbewerb auf freien Märkten schlussendlich zum permanent wachsenden Wohlstand der Nationen führen würde. Die beiden hier sehr kurz und sehr vereinfacht skizzierten Theorien übten einen nachhaltigen Einfluss auf folgende Generationen von Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaftlern aus. Die Ansichten über die Prinzipien des ungehinderten und uneingeschränkten Wettbewerbs sowie des unbegrenzten Wachstums wurden zunehmend als nicht zu hinterfragende Naturgesetze wahrgenommen. Sie bilden die allgemein anerkannte Basis der Wirtschaftstheorien die an den führenden Business Schulen von Chicago bis St. Gallen gelehrt werden. Menschen werden in diesen Lehren als stets rational handelnde und ihren persönlichen Nutzen optimierende, amoralische Wesen betrachtet. Sie werden zum so genannten Homo Oeconomicus degradiert.
In den heutigen, globalen Gesellschaften sind wir mit wachsenden, kaum zu bewältigenden Herausforderungen des Klimawandels und der Verelendung breiter Bevölkerungsschichten konfrontiert. Die Folgen dieser Entwicklungen, extreme Stürme, sintflutartige Regenfälle, Dürren, schmelzende Gletscher, steigender Meeresspiegel, zunehmende soziale Unruhen und daraus folgende Migrationsströme usw. werden immer offensichtlicher. Während andererseits die Vermögen Weniger ins Unermessliche steigen sind immer mehr Menschen von Armut, Hunger und Gewalt bedroht.
Wirksame Massnahmen gegen diese Entwicklungen werden behindert und verhindert, weil sie das Wirtschaftswachstum behindern würden und angeblich nicht finanzierbar seien. Das Streben nach Wirtschaftswachstum ist zum zentralen Ziel allen politischen und gesellschaftlichen Handelns geworden. Der Handlungsspielraum der globalen Gesellschaften wird durch wirtschaftliche Sachzwänge weitgehend eingeengt, d.h. die Wirtschaft dient nicht mehr primär dem Wohlstand der Nationen, sondern wird zum Selbstzweck, dem die Gesellschaften zu dienen haben. Die reale Wirtschaft wird dabei ihrerseits zunehmend von deregulierten globalen Finanzmärkten dominiert. Die deutsche Kanzlerin bringt diese Tatsache mit ihrer Aussage, dass die Politik das Vertrauen der Finanzmärkte zurück gewinnen müsse, auf den Punkt.
Wie aber kann man dieses Dilemma auflösen und eine Welt schaffen, die uns und unseren Nachfahren ein Leben in Frieden und Würde ermöglicht? Die Überwindung des Kapitalismus und seiner heutigen Form ist sicher nicht verkehrt, aber was kommt danach? Alle real existierenden Kommunismen oder Sozialismen sind kläglich gescheitert oder haben zumindest nicht dazu geführt, dass es den Menschen wirklich gut geht. Einige zaghafte Ansätze in Lateinamerika stimmen vorsichtig optimistisch, noch aber fehlt ihnen der definitive Erfolgsbeweis.
Es wäre vermessen, zu behaupten ich könnte hier eine Lösung für all diese gravierenden Probleme präsentieren. Die eine und einzige Patentlösung für all die Probleme unserer Welt wird es sehr wahrscheinlich sowieso nicht geben.
Vorerst will ich mich damit begnügen, einige Fragen zu formulieren, mit denen ich mich künftig weiter beschäftigen will:
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Sind die Paradigmen des ungehinderten und uneingeschränkten Wettbewerbs und des unbegrenzten Wachstums wirklich als eine Art Naturgesetz zu betrachten? Was sind die Alternativen?
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Beschreibt das Bild des so genannten Homo Oeconomicus die wirkliche Natur der Menschen? Sind die Menschen von Natur aus diese stets rational handelnden und ausschliesslich ihren persönlichen Nutzen optimierenden, amoralischen Wesen als die sie von den Wissenschaften häufig angesehen werden?
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Wie kann ein Gleichgewicht zwischen unserem legitimen Streben nach Wohlstand und Besitz dem Gebrauch von natürlichen Ressourcen hergestellt werden? Was sind die Kriterien für eine gerechte Verteilung natürlicher Ressourcen? Wer trägt die Folgekosten der exzessiven Ausbeutung der Natur?
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Was überhaupt bedeutet Wohlstand? Macht uns immer mehr an Geld und Besitz wirklich glücklicher und zufriedener?
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Wie können Gesellschaften und Politik die Kontrolle über die Wirtschaft und insbesondere die Finanzmärkte zurück gewinnen und so erreichen, dass die Wirtschaft nicht weiter Selbstzweck ist, sondern dem allgemeinen Wohlbefinden der Menschen dient?
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Was heisst eigentlich die Wirtschaft? Welche wirtschaftlichen Aktivitäten dienen dem Wohlergehen der Menschen und welche nicht? Welche Teile der Wirtschaft sollen von der Gesellschaft gefördert werden?
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Schlussendlich die anfangs erwähnten Fragen: Wie gross ist gross genug? Wie gut ist gut genug? Wie schnell ist schnell genug? Wann ist der richtige Zeitpunkt? Wie viel ist Genug?
Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug.
Epikur von Samos
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